Stadtsimulation
                Simulation und Visualisierung der Dynamik räumlicher Prozesse 
                in Städten
              Reinhard 
                KÖNIG
              Dipl. 
                Ing. Reinhard König, Lehrstuhl für Stadtquartiersplanung 
                und Entwerfen, TU Karlsruhe,  
               
              1.    EINLEITUNG 
              Städtische Strukturen 
                resultieren aus verschiedenen kontinuierlich ablaufenden, sich 
                wechselseitig beeinflussenden Prozessen. Stellt man das Erscheinungsbild 
                einer Stadt zu einem bestimmten Zeitpunkt dar, erhält man lediglich 
                eine Momentaufnahme dieses dynamischen Systems. Ziel des im Folgenden 
                beschriebenen Projekts ist die Repräsentation der Stadt als kontinuierlicher 
                Prozess.
              Das Tätigkeitsfeld 
                der Raumplanung umfasst die Organisation räumlicher Strukturen 
                und deren Wechselwirkungen mit gesellschaftlichen Prozessen. Planung 
                bedeutet stets die konzeptionelle Vorwegnahme noch nicht existierender 
                Zustände. Dabei konzentriert sich die gegenwärtige Praxis der 
                Planung lediglich auf den Vergleich von Soll und Ist. Wesentlich 
                für eine nachhaltige Stadtentwicklung wäre aber eine Auseinandersetzung 
                mit den Prozessen, die zu den jeweiligen Zuständen geführt haben 
                bzw. führen sollen. Sowohl eine eingehende Analyse der für die 
                städtische Entwicklung relevanten Zusammenhänge als auch ein bewusster 
                Umgang mit der Dynamik und den zeitlichen Eigenschaften von Prozessen 
                sind der räumlichen Planung fremd geblieben. Dementsprechend sind 
                Pläne immer noch statische Repräsentationen, während solche in 
                der Form dynamischer Karten nicht bekannt sind. 
              Für eine Visualisierung 
                räumlicher Prozesse ist zuerst einmal die städtische Dynamik in 
                Raum und Zeit zu simulieren. Grundlage dieser Simulation ist eine 
                ‚bottom-up’ Beschreibung urbaner Vorgänge mittels mathematischer 
                Modelle, welche in einem weiteren Schritt für eine computertechnische 
                Verarbeitung in Algorithmen übertragen werden. Der Verlauf der 
                Berechnungen und die Entwicklung des Systems sollen grafisch dargestellt 
                werden.
               
              2.    STAND DER FORSCHUNG
              Die formale Darstellung 
                und Simulation einer Stadt unter Einbeziehung aller wesentlichen 
                Teilbereiche[1] wird in der Fachliteratur 
                als ‚Large-Scale Urban Model’ bezeichnet. Die Entwicklung solcher 
                umfassenden Stadtmodelle begann in den 1950er Jahren in den USA. 
                Ausgangspunkt bildete die Standorttheorie von Johann Heinrich 
                von Thünen aus dem Jahr 1826, welche der Frage nachging, wie es 
                zu einer räumlichen Gleichgewichtsverteilung von Siedlungen, Flächennutzungen 
                und Bevölkerung kommt[2]. 
              Von dieser Arbeit 
                ausgehend wurden verschiedene, grundlegende geographische “Gesetze” 
                entdeckt, die alle auf einem ökonomischen Verständnis von Optimalität 
                beruhen. Für das Verständnis urbaner Systeme sind besonders drei 
                dieser Gesetze relevant: Das Gesetz der Verteilung zentraler Orte[3], 
                das Gesetz der Aufteilung des Entwicklungspotentials in Abhängigkeit 
                von der Siedlungsgröße[4] und das Gesetz der Gleichgewichtsverteilung der 
                Grundrente, deren Höhe mit der Entfernung zum Stadtzentrum abnimmt[5]. Weitere Komponenten wie Bevölkerung, Arbeitsplätze, Dienstleistungen 
                und Verkehrssystem wurden ergänzend hinzugefügt und nahmen Einfluss 
                auf die Gleichgewichtsbildung. Von Bedeutung ist außerdem die 
                1952 erstmals veröffentlichte Theorie von Torsten Hägerstrand 
                über die räumliche Ausbreitung von Innovationen[6].
              Den ersten Versuch, 
                diese Komponenten in einem „integrierten“ Stadtmodell zu vereinen 
                machte Lowry[7] 1964 am Beispiel von Pittsburgh. Dieses Modell 
                war allerdings statisch und unterlag der Annahme, dass sich eine 
                Stadt als Ganzes stets in einem Gleichgewichtszustand befindet. 
                Für die Gliederung einer Stadt in Sektoren, in welche die Aktivitäten 
                aufgeteilt waren, wurde ein Raster in der Auflösung von einer 
                Quadratmeile angenommen. Diese Aufteilung erinnert bereits an 
                die Struktur eines zellulären Automaten.
              Jay Forrester[8] entwickelte 1969 als erster einen Ansatz für ein 
                dynamisches Stadtmodell. Darin werden positive Rückkoppelungen 
                als Hauptursache für komplexe und intuitiv nicht nachvollziehbare 
                Verhaltensweisen natürlicher und im speziellen urbaner Systeme 
                beschrieben. In Forresters Modell dominiert stets eine Rückkoppelungsschleife 
                das gesamte System, bis sie von einer anderen abgelöst wird. Für 
                die Untersuchungen des Verhaltens dieses dynamischen Modells war 
                der Computer ein unentbehrliches Werkzeug. Aus einer Änderung 
                der Eingabeparameter resultierte eine Veränderung des Gleichgewichtszustandes. 
                Dieser Zusammenhang war intuitiv nachvollziehbar und linear. Das 
                Problem an seinem Modell war hauptsächlich, dass es eine zu generelle 
                Sicht des urbanen Systems (basierend auf Durchschnittswerten) 
                beinhaltete und jeglichen Raumbezugs ermangelte (numerische Simulation 
                ohne graphische Oberfläche), was seine Ursache vermutlich in der 
                Ignoranz Forresters gegenüber der geografischen Theorie seiner 
                Zeit hatte.
              Die meisten Simulationen, 
                die bis heute entwickelt wurden, basieren auf den Grundkonzepten 
                von Lowry und Forrester und versuchen die wesentlichen Komponenten 
                einer Stadt – Wohnen, Arbeiten, Dienstleistungen, Flächennutzung 
                und Verkehrssystem – im Rahmen eines Modells zueinander in Beziehung 
                zu setzen. Für eine detaillierte Erläuterung der Funktionsweisen 
                der aktuellsten Modelle verweise ich auf M. Wegeners Artikel „Urban 
                Land-Use Transportation Models“[9]. Das Ziel bei der Entwicklung dieser Modelle war, 
                die Ausgewogenheit zwischen dem Verständnis des Prozesses, der 
                Komplexität der Beschreibung und der Verfügbarkeit der Daten zu 
                gewährleisten. Die Gemeinsamkeit all dieser Modellkonzeptionen 
                besteht in einer reduktionistischen Sichtweise (top-down), welche 
                Systeme durch die Unterteilung in logisch begründete Komponenten 
                zu studieren versucht.
              Im Folgenden möchte 
                ich mich auf die Kritik an den umfassenden Modellansätzen konzentrieren. 
                Der einflussreichste und populärste Angriff stammt von Douglas 
                B. Lee[10] und wurde 1973 unter dem Titel „Requiem for Large-Scale 
                Models“ veröffentlicht. Darin werden ‚Seven Sins of Large-Scale 
                Models’ beschrieben, die den Kern der Kritik bilden und in abgewandelter 
                Form teilweise bis heute ins Feld geführt werden.
              Lees Liste der sieben 
                Sünden beginnt mit ‚Hypercomprehensiveness’ (Hyperausführlichkeit), 
                den Versuch, zu viel mit einem Modell erklären zu wollen. Konkret 
                bedeutet dies, dass zu viele Variablen 
                zu Prozessen gekoppelt werden, deren Aussagefähigkeit und Richtigkeit 
                nicht überprüfbar sind. Das Hinzufügen weiterer Teilaspekte in 
                der Absicht, das Modell zu komplettieren führt entgegen der Absicht 
                zu geringerer Genauigkeit, da mehr „Unwissen“ einfließt. Außerdem 
                führt ‚Wrongheadedness’ (Verbohrtheit) dazu, dass durch 
                die Integration zu vieler Einschränkungen und Beziehungen innerhalb 
                der Modellstruktur, die sich daraus ergebenden Mechanismen selbst 
                für den Hersteller des Modells nicht mehr zu verstehen oder zu 
                unterscheiden sind. Aus heutiger Perspektive lässt sich (z.B. 
                im Hinblick auf die Chaosforschung) leicht einsehen, dass zusätzliche 
                Variablen und Beziehungen ein System immer mehr von den Anfangsparametern 
                abhängig machen und dass relativ kleine Fehler zu einem vollständig 
                anderen und falschen Verständnis des zugrunde liegenden Prozesses 
                führen können.
              Ein weiteres Problem 
                wird durch den Begriff ‚hungriness’ (Hunger) aufgezeigt, 
                der die ungeheure Menge an benötigen Daten ausdrückt. In Kombination 
                mit ‚complicatedness’ (Kompliziertheit), führt dies zu 
                dem Vorwurf der Unfähigkeit der Modellbauer, bei komplexen Modellen 
                ein angemessenes Verständnis für die selbst erzeugten ‚Black-Box’ 
                Konstrukte zu entwickeln. Damit ist gemeint, dass ein Benutzer 
                keinen Anhaltspunkt hat, wie nach einer Änderung einer Eingangsvariablen 
                der entsprechende Ausgangswert zustande kommt[11]. Dieses Problem der Nachvollziehbarkeit führt 
                im Zweifelsfall zu einem Verlust der Vertrauenswürdigkeit des 
                Modells. Ferner ermöglicht es dem Programmierer durch die Festsetzung 
                von Restriktionen das Modell so zu justieren, dass es die gewünschten 
                Ergebnisse liefert. ‚Grossness’ (Grobheit) verstärkt die 
                Probleme zusätzlich, indem die Modelle mit „aggregierten“ Daten 
                (Durchschnittswerten) arbeiten, um die Kompliziertheit zu verringern, 
                dadurch aber trotz der enormen Datenmengen nur allgemeine Aussagen 
                auf globaler Ebene ermöglichen und nicht auf lokaler, wo sie für 
                Planungsentscheidungen notwendig wären. 
              Neben diesen noch 
                heute problematischen Punkten werden Sünden angeführt, die aus 
                gegenwärtiger Sicht durch den Fortschritt der Technik ihre Relevanz 
                verloren haben: ‚Mechanicalness’, womit die damaligen computertechnischen 
                Probleme angesprochen wurden, die durch Rundungsfehler oder die 
                Bedeutung der sequentiellen Bearbeitung einer Aufgabe zustande 
                kommen, sowie durch die Schwierigkeiten, ein Problem computergerecht 
                aufzubereiten, ‚Expensiveness’ (Kostspieligkeit), steht 
                für die hohen Kosten, welche für die Beschaffung der erforderlichen 
                Daten und Prognosen aufgewandt werden mussten. Die kommunalen 
                und regionalen Geo-Informations-Systeme (GIS), die seit den 1980er 
                Jahren eingeführt wurden, kosteten zwar ein Vermögen, sind heute 
                aber etabliert und können als Datengrundlage für die Modelle verwandt 
                werden.
              In dem vorliegenden 
                Projekt wird für einen Umgang mit dem skizzierten Problemkreis 
                auf Erkenntnisse der Systemtheorie und speziell dem Teilbereich 
                zurückgegriffen, der sich mit komplexen Systemen beschäftigt, 
                der Komplexitätstheorie, auf welche später detailliert eingegangen 
                wird. Vorgreifend lässt sich feststellen, dass die mittlerweile 
                allgemeingültigen Richtlinien für Modellbauer, die Lee in seinem 
                Artikel abschließend anführt, mit den Grundsätzen der Komplexitätsforschung 
                übereinstimmen. 
              Nach Lee ist eines 
                der wichtigsten Kriterien eines Modells dessen Transparenz. Es 
                soll mit einem zumutbaren Aufwand für jeden Benutzer leicht verständlich 
                sein. Diese Forderung entspricht der Reduktion auf die wesentlichen 
                Systemparameter und deren Relationen. Dadurch wird gewährleistet, 
                dass bei Unstimmigkeiten im Modell die beteiligten Personen diese 
                entdecken und benennen können, was wiederum ermöglicht, nach einem 
                Konsens über die Anfangsannahmen Einigkeit über die Ergebnisse 
                zu erzielen und eine fruchtbare Zusammenarbeit der am Planungsprozess 
                beteiligten Personen zu gewährleisten.
              Ferner ist bei der 
                Modellkonzeption eine Balance zwischen Theorie, Objektivität und 
                Intuition anzustreben. Das Vorgehen sollte sich an der Problemstellung 
                orientieren und dementsprechende Methoden auswählen, nicht umgekehrt.
              Zusammengefasst sollte 
                ein Modell formal so einfach wie möglich gehalten werden, da Komplexität 
                „automatisch“ innerhalb der Modellstruktur entsteht. 
               
              3.    ZIELSETZUNG
              Eine Stadt ist ein 
                komplexes System par excellence. Die Bewohner und ihre Wohnstätten, 
                die Geschäfte und Produktionsstätten, der Verkehr von Waren und 
                Personen sind eng miteinander verwoben. Zwischen ihnen besteht 
                eine Vielzahl dynamischer Abhängigkeiten insofern als eine Veränderung, 
                die eines der Teile betrifft, komplexe Auswirkungen auf andere 
                Teile innerhalb des gesamten Systems haben kann.
              Die zentrale Aufgabenstellung 
                des Vorhabens besteht darin, die Regeln der einzelnen Elemente 
                zu erkunden, die in ihrem Zusammenwirken durch Selbstorganisationsmechanismen 
                jene komplexen Strukturen bilden, die wir in Städten beobachten 
                können. Ich gehe davon aus, dass bestimmte Zusammenhänge - mit 
                jeweils verschiedenen Gewichtungen - für alle Siedlungen weltweit 
                gelten[12]. In erster Linie betrifft das die ökonomischen Gesetze des Handels 
                mit Waren und Ressourcen, sowie das Verhalten der individuellen 
                und kollektiven Akteure in einer Stadt, also das der Bürger und 
                politischer oder wirtschaftlicher Gruppierungen. Diese Beziehungen 
                werden in der Raumwirtschaftstheorie als Wechselwirkungen von 
                Struktur (Standorttheorie), Interaktion (räumliche Mobilitätstheorie) 
                und Prozess (regionale Wachstums- und Entwicklungstheorie) behandelt[13]. 
              
              Im Kontext der Komplexitätstheorie, 
                in welchem das Forschungsvorhaben entwickelt wird, müssen die 
                Untersuchungen von den kleinsten sinnvollen Elementen ausgehen, 
                um die übergeordneten Emergenzphänomene zu erklären. Dementsprechend 
                muss vor der Beschäftigung mit den Modellen der einzelnen urbanen 
                Komponenten ein Simulationskonzept eingeführt werden, welches 
                darstellt wie das System Stadt computertechnisch repräsentiert 
                werden kann. Dieses Konzept umfasst die generelle Herangehensweise 
                sowie die Repräsentation der Elemente und deren Wechselwirkungen. 
                Die daran anschließende Methodik wird auf dieser Grundlage aufbauen.
              Die Beschaffenheit 
                des urbanen Systems wird erkundet, indem zuerst die jeweiligen 
                Teilbereiche anhand einfacher, abstrakter Teilmodelle untersucht 
                werden, deren Beziehungen untereinander die Fragestellungen der 
                Teilbereiche erklären sollen. In der letzten Projektphase werden 
                die einzelnen Bereiche schließlich miteinander verbunden und bilden 
                so ein dynamisches Gesamtsystem.
              Der erste Teilbereich 
                beschäftigt sich mit der Bevölkerungsverteilung im Raum. 
                Warum siedeln die Akteure wo, mit welchen Elementen interagieren 
                sie und welche Aktionsräume nehmen sie für sich in Anspruch?
              Daran schließt der 
                Bereich des Bodenmarkts an, der Aufschluss darüber geben 
                soll, was zur Bildung von Zentren sowohl bei monozentrischen als 
                auch polyzentrischen Strukturen führt, wie sich die urbanen Funktionen 
                verteilen und welche Kräfte hinter den Vorgängen der Zersiedelung 
                und der Ballung stehen.
              Einen weiteren Bereich 
                bildet der Verkehr. Dieser ist eng verknüpft mit den ersten 
                beiden Bereichen und behandelt den Einfluss des Verkehrssystems 
                und der Verkehrstechnologie auf den Bodenmarkt und die Bevölkerungsverteilung 
                und vice versa.
              Nach der Behandlung 
                dieser Grundthemen folgt eine Beschäftigung mit den Veränderungen 
                von Strukturen. Warum und nach welchem Muster (periodisch oder 
                chaotisch) verändern sich die Strukturen im Verlauf der Zeit? 
              
              Schließlich rückt 
                die Umwelt in den Fokus der Auseinandersetzungen. Hier 
                gilt es zu klären, welche Rolle die Umwelteinflüsse auf die urbane 
                Entwicklung haben und welche Rückkoppelungen auf die anderen Bereiche 
                sich durch Emissionen und Immissionen ergeben.
              Abschließend wird 
                erläutert, warum die Visualisierung des Verlaufs der dynamischen 
                Prozesse ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist und welche 
                Möglichkeiten sich für die Planung eröffnen. Also wie Strategien 
                für eine nachhaltige Stadtentwicklung aussehen können und wie 
                sich diese in der Ausbildung von Städtebauern und der Praxis des 
                städtebaulichen Entwerfens nutzen lassen.
               
              4.    METHODIK
              Es war bereits wiederholt 
                von Komplexität und Selbstorganisation die Rede. An dieser Stelle 
                sollen die Grundlagen, welche hinter diesen Begriffen stehen, 
                nochmals zusammenfassend erläutert werden.
              Die hier konzipierte 
                Simulation von Stadt kann als adaptives Kollektiv interagierender 
                Einheiten verstanden werden und steht damit im Gegensatz zu den 
                ‚top-down’ Ansätzen der ‚Large-Scale Urban Models’, die im Abschnitt 
                Stand der Forschung beschrieben wurden. Das vorliegende Projekt 
                ist durch eine generative Vorgehensweise (bottom-up) charakterisiert. 
                Dabei werden Phänomene als ein Produkt (oder Synthese) vielfacher 
                Interaktionen einfacher elementarer Einheiten aufgefasst.
              Für das Verständnis 
                generativer Systeme sind Selbstorganisation und Emergenz wesentlich. 
                Das Zutagetreten übergeordneter (globaler) Phänomene auf der Grundlage 
                einer beschränkten Anzahl von Regeln oder Vorschriften, die auf 
                lokaler Ebene auf viele abstrakte Entitäten angewandt werden, 
                wird als Emergenz bezeichnet. Derlei Emergenzphänomene können 
                z.B. kollektives Verhalten oder räumliche Muster darstellen, die 
                sich scheinbar selbst durch das Zusammenwirken der einzelnen Teile 
                organisieren, indem die Interaktionen im Verlauf der Zeit zu gegenseitigen 
                Adaptionen führen. Das Wesen der Selbstorganisation liegt dabei 
                in der Art und Weise, wie die Wechselwirkungen zwischen den Elementen 
                und mit der Umwelt stattfinden. John Holland hat diese Zusammenhänge 
                mit der einprägsamen Formel „much coming from little“ umschrieben. 
                Beispiele für derartige Phänomene lassen sich in Verkehrsstaus, 
                städtischen Slums oder ethnisch homogenen Stadtbezirken finden.
              Da das Verhalten 
                dieser Systeme nicht linear und vorhersehbar, sondern an sich 
                unvorhersehbar ist, werden sie als komplexe Systeme bezeichnet. 
                Der einzige Weg das Verhalten dieser Systeme zu erforschen, ist 
                sie zu simulieren.
              
              4.1  Simulationskonzept
              Ich beginne mit der 
                Erklärung, wie sich das System Stadt computertechnisch repräsentieren 
                lässt. Dazu werden verschiedene Repräsentationsformen für Raum, 
                Zeit und Akteure eingeführt. Ausgehend von dem Paradigma der Objektorientierten 
                Programmierung (OOP) wird es jeweils eine Klasse geben für:
              ·         
                Räumliche Elemente wie Straßen, Parzellen und Gebäude[14], die als örtlich fixierte 
                Objekte behandelt werden, deren Zustände (Eigenschaften) sich 
                aber zu bestimmten Zeitpunkten verändern. In einem ersten Abstraktionsschritt 
                werden diese Elemente in die Zellen eines regelmäßigen Rasters 
                übertragen und anhand des Status einer solchen Zelle gespeichert. 
                Diese Struktur bildet die Grundlage für die Funktionsweise eines 
                Zellulären Automaten (ZA). Bei einem ZA können der Status und 
                die Eigenschaften einer Zelle von den Zuständen seiner Nachbarzellen 
                abhängig gemacht werden und sich bei jedem Zeitschritt verändern[15]. 
              
              ·         
                Akteure, deren Entitäten im Folgenden als Agenten 
                bezeichnet werden. Mittels diesen können sowohl individuelle als 
                auch kollektive urbane Akteure[16] 
                dargestellt werden. Im Gegensatz zu den Zellen sind Agenten mobil 
                und können sich frei über das Zellenraster (zellulärer Raum) bewegen. 
                Dabei lassen sich verschiedene Arten der Kommunikation der Agenten 
                untereinander, sowie mit den Zellen anhand der Objektmethoden 
                (interne Verarbeitungsregeln der Objekte) definieren. Das gesamte 
                System der Agenten wird als Multi-Agenten System (MAS) bezeichnet[17]. Ein aus den  beiden 
                Komponenten ZA und MAS bestehendes System bildet ein ‚Inter Representation 
                Network’ (IRN)[18].
               
 
                Ein einfaches Beispiel 
                für ein IRN ist das Modell ‚Wegesystem’ (siehe Prototyp Abb. 01), 
                bei welchem sich die Agenten des MAS frei über den zellulären 
                Raum bewegen und dabei jene Zellen markieren, welche sie überquert 
                haben. Stößt ein Agent in seiner nächsten Umgebung auf eine markierte 
                Zelle, so bewegt er sich tendenziell in deren Richtung und verstärkt 
                dadurch die bestehende Markierung. Das System lässt sich mit Fußspuren 
                über einem frisch verschneiten Platz vergleichen, welche im Verlauf 
                der Zeit durch andere Fußgänger verstärkt, oder bei Nichtbenutzung 
                wieder verweht werden.
              Für die Repräsentation 
                des Vergehens der Zeit ist beabsichtigt, mit zwei Zeitkoordinaten 
                zu arbeiten, die jedem Objekt des Systems zugewiesen werden, um 
                eine Unterscheidung von Ereignissen nach Gegenwart, Zukunft und 
                Vergangenheit zu ermöglichen. Dies ist notwendig, um z.B. die 
                Auswirkungen einer zukünftigen Planung in Bezug zu einer gegenwärtigen 
                Entwicklung oder Überschneidungen mit anderen Planungen berücksichtigen 
                zu können. 
              Ferner müssen die 
                unterschiedlichen Geschwindigkeiten und zeitlichen Rhythmen der 
                Komponenten berücksichtigt werden: Verkehrssysteme und Flächennutzungen 
                verändern sich nur in sehr großen Zeiträumen (Jahrhunderte), die 
                Wohnungsstruktur und der Arbeitsmarkt unterliegen einer mittelschnellen 
                (Jahrzehnte), die Beschäftigungsstruktur und Bevölkerung dagegen 
                einer schnellen (Jahre) Veränderungsrate. Der Warentransport und 
                Personenverkehr erfolgen unmittelbar, wogegen die Auswirkungen 
                wie Luft- und Lärmbelastung, welche die Umwelt betreffen, indirekt 
                ablaufen[19]. 
                Hierzu lassen sich den spezifischen Objekten mittels ihrer Methoden 
                interne Uhren zuweisen, welche die Geschwindigkeiten kontrollieren. 
                Eine Umsetzung der Veränderungsrhythmen kann über Schwellenwerte 
                erfolgen, indem ein Objekt marginale Veränderungsanforderungen 
                in einem Potentialparameter speichert und eine Veränderung erst 
                dann stattfindet, wenn das Potential den Schellenwert überschreitet.
              Als Datengrundlage 
                für die Simulationsmodelle dienen GIS, auf deren Datenbanken über 
                ein ‚loose coupling’ zugegriffen wird[20], 
                oder indem spezieller GIS Funktionen in die Simulationsumgebung 
                integriert werden, die einen direkten Datenaustausch erlauben[21]. 
                Die Auswahl der Methodik wird sich erst im Fortgang des Projektes 
                aus den möglichen Planungsanwendungen ergeben.
              
              4.2  Bevölkerungsverteilung
              Eine Antwort auf 
                die Fragestellungen, warum bestimmte Akteure wo siedeln und welche 
                Aktionsräume sie für sich in Anspruch nehmen, hängt mit einer 
                Vielzahl von Einflussfaktoren zusammen. Zu diesen gehört insbesondere 
                im städtischen Raum der Bodenmarkt, welcher unter dem nächsten 
                Punkt besprochen wird. Bodenpreise und Nutzungsdichten sind eng 
                miteinander verknüpft, sie sind sozusagen verschiedene Seiten 
                derselben Medaille (Eine Veränderung in dem einen Bereich findet 
                nicht ohne Auswirkungen auf den Anderen statt): Beide Teilsysteme 
                bilden zusammen eine zirkuläre Kausalität. Unter diesem Punkt 
                soll betrachtet werden, wie es zur Bildung von Zentren kommt. 
                Deren Wirkungen sollen unter Punkt 4.3 Bodenmarkt untersucht werden. 
              Der Begriff des Zentrums 
                kann in seiner Bedeutung je nach Betrachtungsebene variieren. 
                So verteilen sich beispielsweise über die ganze Welt Handels- 
                oder Technologiezentren in Form bedeutender Städte oder Regionen. 
                Begrenzt man das Blickfeld auf ein Land, werden Städte nach ihrem 
                Rang geordnet, entsprechend ihrer Bevölkerungszahl oder Produktionsleistung. 
                Eine Stadt für sich beinhaltet wiederum mindestens ein Stadtzentrum, 
                den so genannten zentralen Handelsbereich (Central Business Distrikt 
                CBD). Einzelne Stadtgebiete unterscheiden sich danach, ob sie 
                vorwiegend Produktions-, Handels- oder Wohnnutzungen beherbergen 
                oder bei einer heterogenen Zusammensetzung als Mischgebiet gelten. 
                Die verschiedenen Gebiete bilden untergeordnete Zentren innerhalb 
                der Stadt, welche die Bebauungsart und -dichte definieren. Diese 
                Hierarchie der Zentren setzt sich fort bis in die Wohnungen, in 
                welchen die Zimmer mit der höchsten Nutzungsdauer die zentralen 
                Räume darstellen.
              Die Entstehung und 
                Dynamik der Zentren innerhalb einer Stadt, welche hier besprochen 
                werden, hängen von exogenen sowie endogenen Einflüssen ab. Exogene 
                Einflüsse sind z.B. topographische Gegebenheiten oder stadtplanerische 
                Konzepte. Die endogenen Faktoren, welche dem Prozess der Zentrenbildung 
                zugrunde liegen, setzen sich zusammen aus den Präferenzen der 
                individuellen oder kollektiven Akteure, welche sich ökonomisch 
                anhand des Wertes eines Standortes ausdrücken lassen und als „anziehende“ 
                oder „abstoßende“ Wechselwirkung zwischen den unterschiedlichen 
                Bebauungsarten modelliert werden können (siehe Segregationsmodell, 
                Prototyp Abb. 2). Der Wert eines Standorts hängt ab von dessen 
                Entfernung zu anderen Standorten (zu ermitteln über Erreichbarkeitsanalysen[22]) und dem sozialen Umfeld. Diese Entfernungen werden auf zweierlei 
                Weise bewertet: erstens gemäß der Fahrtkosten, die durch die Wahl 
                des Standortes ent‑ bzw. anfallen (siehe Skalenerträge, 
                Prototyp Abb. 3), und zweitens danach, ob der Ausblick angenehm, 
                die Umgebung passend und die Emissionsquellen von Störungen und 
                Beeinträchtigungen fern sind. Die Bewertung der Bezüge der letzteren 
                Art leitet sich 
 nicht aus den Preisen für knappe Ressourcen ab, sondern 
                aus den Raten räumlicher Diskontierung[23]. 
              Segregationsmodell (siehe Abb.2): Verschiedene 
                Agenten (in Abb. 2 blau und gelb markierte Punkte) repräsentieren 
                Nutzungen, die räumlich nicht zusammen liegen sollen. Im Modell 
                werden die Zellen um einen Agenten herum seiner Nutzung entsprechend 
                markiert. Dieser Raum ist beispielsweise durch Emissionen eines 
                Gewerbebetriebs beeinträchtigt (blau). Wohnnutzungen (gelb) bleiben 
                diesen Flächen fern. Es entstehen automatisch Cluster der verschiedenen 
                Farben um die Anlagerungspunkte (rot).
              Skalenerträge (siehe Abb. 3): Das 
                Modell zeigt, wie sich positive Skalenerträge auf das Einzugsgebiet 
                eines Herstellers/Händlers (Markt) auswirken: Bei der Herstellung 
                eines Produktes fallen bestimmte Kosten an. Kann eine größere 
                Anzahl der Produkte verkauft werden (versch. farbige Einzugsgebiete), 
                sinken die Kosten pro Produkt (Skalenertrag). Es  
 
                lohnt sich somit für 
                einen Käufer, einen weiteren Weg zurückzulegen, um das billiger 
                gehandelte Produkt zu erwerben, wodurch allerdings seine Fahrtkosten 
                steigen. Die erhöhte Nachfrage in einem Markt führt wiederum zu 
                einer weiteren Preissenkung. Bei dem dadurch entstehenden Konkurrenzkampf 
                um Absatzgebiete können sich einige Anbieter durchsetzen und örtliche 
                Monopole bilden. An den Grenzen der Einzugsgebiete gleichen sich 
                die Fahrtkosten und die Kosten des Produkts im nächstgelegenen 
                Markt aus. Bei teureren Produkten verstärkt sich diese Wirkung 
                der Skalenerträge. 
                 
              Die Umwelteinflüsse 
                (Ressourcen, Emissionen und Immissionen) werden mittels der Objekteigenschaften 
                der Zellen als Umweltdaten in das Rastermodell aufgenommen, welches 
                mindestens die Komponenten Luftverschmutzung, Lärmbelastung, Verbrauch 
                natürlicher Ressourcen, Umwelt- und Landschaftsqualitäten sowie 
                unverbauter Raum enthält. 
              
              4.3  Bodenmarkt
              Ist das System der 
                Zentren ansatzweise definiert, sind auch die Randbedingungen für 
                ein Bodenmarktmodell in Anlehnung an Thünen (siehe Abb. 4) und 
                Alonso zustande gekommen.  Dieses regelt auf gesamtstädtischer 
                (Makro-) Ebene das Layout der Grundstücke und Erschließungswege. 
                Ferner stellen die Bodenpreise den Zusammenhang zwischen Fahrtkosten 
                und Nutzungsdichten her (siehe Punkt 4.2).
              Als ein erster Lösungsansatz 
                soll hier ein Verhandlungsmodell für die Landnutzung 
                nach von Thünen vorgestellt werden (siehe Prototyp Abb. 4). Im 
                Gegensatz zur Berechnung idealer Landzonierungen, wird hier für 
                eine gegebene Menge von Nutzungen deren ideale Verteilung verhandelt.
              Verhandlungsmodell (siehe Abb. 4): Eine 
                Zelle repräsentiert im Modell einen Landwirt, der versucht, den 
                Gewinn mit  
 
                seinem Anbauprodukt 
                zu maximieren. Der Gewinn ist abhängig von der Produktivität, 
                der Entfernung zum Markt und den Transportkosten für die unterschiedlichen 
                Güter. Die Verhandlungsregeln sind so definiert, dass jeder Landwirt 
                innerhalb eines definierten Umgebungsbereichs vergleicht, ob er 
                auf einem anderen Grundstück mit seinem Anbauprodukt einen höheren 
                Gewinn erzielen kann. Ist dies der Fall, versucht er dieses einzutauschen. 
                Kommt es dabei zu einer Konkurrenz bei der Nutzung einer Parzelle, 
                unterliegt derjenige Landwirt, der mit seinem Produkt an dieser 
                Stelle einen geringeren Gewinn erwirtschaften würde als sein Konkurrent. 
                Eine erste Besonderheit bei diesem ‚bottom-up’ Ansatz ist die 
                Abhängigkeit der Landnutzungsstruktur von dem Umgebungsbereich, 
                innerhalb welchem ein Vergleich stattfindet. Ist dieser relativ 
                gering, kommt es nicht zu einer idealen Verteilung. 
              Auf einem derartigen 
                dezentralen Verhandlungs- und Vergleichsmodell aufbauend soll 
                eine der grundlegenden Aufgaben dieses Projektes angegangen werden, 
                die darin besteht, dass Zusammenwirken mit den Teilmodellen für 
                die Bevölkerungsumverteilung (4.1) und des Verkehrssystems (4.3) 
                aufzuzeigen, wodurch sich das Zustandekommen sowie die Auswirkungen 
                der Bodenpreise eingehend untersuchen lassen: Die Nachfrage nach 
                zentralen Gütern führt zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen zum 
                Zentrum hin und resultiert in der Nachfrage nach Raum für mobile 
                und immobile Nutzungen, was sich in den Quadratmeterpreisen widerspiegelt. 
                Dieses Zusammenspiel kann zu einem effizienten Marktgleichgewicht 
                führen[24], welches den Ausgleich räumlicher und zeitlicher 
                Knappheit herstellt und den Verlauf der Dichte- und Bodenpreisgradienten 
                reproduziert, dessen statistische Regelmäßigkeit sich empirisch 
                nachweisen lässt. Die Relativität räumlicher und zeitlicher Knappheit 
                besteht darin, dass erstens räumliche Entfernung in Fahrtzeit 
                übersetzt und Fahrzeit zweitens zur Geräumigkeit der Verkehrskorridore 
                in Abhängigkeit gesetzt wird. Der dem Verkehr gewidmete Raum geht 
                vom Raum für die immobilen Nutzungen ab, die er verbindet. Je 
                mehr Raum für einen schnell und reibungslos fließenden Verkehr 
                verwandt wird, desto knapper wird der Raum für diejenigen Nutzungen, 
                welche die Nähe zum Zentrum wegen der Zeitersparnis und den höheren 
                Erträgen suchen.
              Schließlich bilden 
                die Verkehrsbelastungen in Form von Lärmbelästigung und Luftverschmutzung 
                die Emissionen für das Umweltmodell und die Dichte der Besiedlung 
                wirkt sich auf die Ressourcen an unverbauter Landschaft aus. Als 
                technische Grundlage, z.B. für die Berechnung der Ausbreitung 
                von Abgasen greife ich auf das Diffusionsmodell[25] zurück. Als Immissionen 
                wirken die Belastungen und Beeinträchtigungen auf die Raten räumlicher 
                Diskontierung zurück, wodurch sich ein weiterer Rückkoppelungskreis 
                über das Umweltmodell zur Standortbewertung schließt.
              
              4.4  Verkehr
              Wie das Verkehrs-Teilmodell 
                in das Gesamtmodell zu integrieren ist, wurde unter dem letzten 
                Punkt (4.3) dargestellt. Im Folgenden wird erläutert, wie erstens 
                die Struktur der Verkehrsverbindungen computertechnisch erfasst 
                werden kann und wie sich zweitens die Benutzung dieser Struktur 
                ausdrücken lässt.
              Fraktale Struktur 
                des Transportsystems: Als weitere Form der Selbstorganisation 
                wird die fraktale Geometrie von erschließenden und erschlossenen 
                Räumen behandelt[26]. Von der kleinsten architektonischen 
                Einheit –dem einzelnen Zimmer – ausgehend, stellt sich die gebaute 
                Struktur als eine Abfolge von erschlossener Raumeinheit und erschließendem 
                Umraum dar: Das Zimmer wird vom Gang, die Wohnung vom Treppenhaus, 
                das Treppenhaus vom Grundstückszugang, der Häuserblock von der 
                Anliegerstraße, das Quartier von der Durchgangsstraße usw. erschlossen.
              Als Grundlage für 
                die Ableitung des beschriebenen fraktalen Graphen können die Daten 
                des Verkehrsnetzes der untersuchten Region aus einem GIS herangezogen 
                werden. Dadurch erhält man die geometrisch-räumliche Struktur 
                des Netzwerks, welches die Ausgangsdaten für Wegelängen, Verkehrsauslastungen, 
                Instandhaltungskosten usw. liefert. Daraus werden die topologischen 
                Eigenschaften eines gewichteten Graphen hergeleitet, auf dessen 
                Basis sich Erreichbarkeitsanalysen anhand der Konvektivität des 
                Graphen sowie Kosten-Nutzen-Verhältniswerte berechnen lassen. 
                Erstere sind relevant für Standortanalysen und Aussagen über die 
                Ausprägung der abgestuften Zugangsrechte bestimmter Räumlichkeiten, 
                welche eng verbunden sind mit der sozialen Struktur einer Stadt. 
                Letztere schließen im Zusammenspiel mit den Daten der Flächennutzungen 
                den Wirkungskreis zum Bodenmarkt. Diese zirkuläre Abhängigkeit 
                geht mit Effekten sich multiplizierender Parameter einher, deren 
                Untersuchung einen der zentralen Gegenstände dieses Vorhabens 
                darstellt.
              Benutzung des 
                Transportsystems: Analog zu der räumlich fraktalen Struktur 
                des Erschließungssystems lässt sich eine fraktale Zeitstruktur 
                bei dessen Benutzung feststellen: Man geht so und so oft im Zimmer 
                umher, bevor man auf den Gang tritt; man geht so und so oft in 
                der Wohnung umher, bevor man sie verlässt; man legt so und so 
                viele Hin- und Rückwege im Quartier zurück, bevor man umliegende 
                Quartiere aufsucht; man fährt so und so oft in der eigenen Stadt 
                umher, bevor man eine andere besucht usw. Diese Pendelbewegungen 
                bilden zusammengenommen eine Hierarchie von wiederum sich selbst 
                ähnlichen Rhythmen und sind meist typisch stabile Prozesse. Sie 
                führen zum Ausgangspunkt zurück und streben einem Gleichgewicht 
                zu. 
              Die Summe der Bewegungen 
                eines Akteurs in einem bestimmten Zeitraum kann als ‚Spur’ dargestellt 
                werden, welche als Trajektorie bezeichnet wird, deren räumliche 
                Ausdehnung wiederum den Aktionsraum eines Akteurs bildet. 
                Trajektorien werden bei jedem Akteursobjekt (Agent) erfasst, indem 
                eine Eigenschaft als ‚historischer Container’ die Raumkoordinaten 
                der zurückgelegten Wege des Akteurs mit den zugehörigen Zeitkoordinate 
                speichert. Dadurch lassen sich die Trajektorien und Aktionsräume 
                in allen möglichen Zeiträumen abrufen und analysieren, was für 
                den folgenden Punkt wichtig ist.
              
              4.5  Veränderungen
              In einer Stadt findet 
                sich keine zentrale Planungseinrichtung, welche das Problem der 
                Verteilung von Angebot und Nachfrage löst. Trotzdem werden verheerende 
                Schwankungen zwischen Knappheit und Überangebot über die Jahre 
                und Dekaden hinweg vermieden. Diese geheimnisvolle Selbstregulierung 
                wird umso rätselhafter, wenn man die facettenreiche Natur großer 
                Städte in Betracht zieht. Käufer, Verkäufer, Verwaltung, Straßen, 
                Brücken und Gebäude unterliegen einer ständigen Veränderung, so 
                dass die Kohärenz einer Stadt auf wundersame Weise aus einem kontinuierlichen 
                Fluss von Menschen und Strukturen besteht. Gleichsam einer stehenden 
                Welle vor einem Fels in einem schnell fließenden Strom, bildet 
                eine Stadt ein Muster in der Zeit.
               
 Dieses Bild von John Holland wird in der Sprache der 
                Komplexitätstheorie als seltsamer Attraktor beschrieben, ein System 
                am Rande des Chaos, welches weder einem Gleichgewichtspunkt (Attraktor) 
                zustrebt, noch in unregelmäßiges Chaos abgleitet, sondern dazwischen 
                pendelt (siehe Abb. 5). 
              Um die Vorgänge in 
                einer Stadt für meine Untersuchungen greifbar zu machen, werden 
                nicht nur die Bewegungen eines Akteurs, sondern auch der Verlauf 
                aller möglichen Prozesse mittels Trajektorien erfasst, deren Gestalten 
                als vierdimensionale (drei Raumkoordinaten zur Positionsbeschreibung 
                plus Zeitkoordinate) ‚Linien’, ‚Röhren’ oder ‚Bäume’ dargestellt 
                werden können. Ein anschaulicher Beispielfall von röhrenartigen 
                Prozessen sind Fahrzeuge, deren Grundfläche im Prinzip gleich 
                bleibt, aber insofern schwankt, als die in Anspruch genommene 
                Verkehrsfläche mit der Fahrtgeschwindigkeit variiert. Baumartig 
                sind Prozesse, in deren Zustandsfolge Objekte aus Teilen zusammengesetzt 
                und in Teile wieder aufgelöst werden. Das Standardbeispiel eines 
                baumartigen Prozesses ist die Geschichte einer Parzelle, die durch 
                mehrfache Verschmelzung und Teilung ihre aktuelle Gestalt gefunden 
                hat. 
              Aus der Form der 
                Trajektorien lassen sich Aktivitätsmuster ableiten (tägliche, 
                wöchentliche, saisonale und jährliche Austauschprozesse), die 
                Aussagen erlauben über die Benutzungsfrequenz räumlicher Einheiten. 
                Diese Aktivitätsmuster werden als Rhythmen bezeichnet[27].
              Die Klassifikation 
                sozialer Prozesse nach dem Grad der Stabilität ihrer Rhythmen 
                (stabil, konservativ, instabil, selbstorganisierend) eignet sich 
                als neuer und viel versprechender Ansatz zur Beschreibung der 
                räumlichen Wirkungen sich verändernder Zeitstrukturen. Als Generalannahme 
                kann nämlich gelten, dass wir es dort, wo räumlich dauerhafte 
                Strukturen vorliegen, mit stabilen Prozessen in den zugehörigen 
                Aktivitätsmustern zu tun haben. Städte sind als räumliche Strukturen 
                so dauerhaft, weil sie Aktivitätsmuster mit außerordentlich stabilen 
                Rhythmen bergen.
              
              4.6  Visualisierung
              Neben der Simulation 
                urbaner Mechanismen ist es ein zentrales Anliegen des Projektes, 
                diese grafisch darzustellen. Nur durch eine allgemeinverständliche 
                Visualisierung der Prozesse kann bei den am Planungsprozess Beteiligten 
                ein Bewusstsein für die Problematik der dynamischen Abhängigkeiten 
                sich gegenseitig beeinflussender Einflussgrößen geschaffen werden. 
                Unter dem Modellkriterium der Transparenz wurde die Bedeutung 
                der Nachvollziehbarkeit einer Simulation bereits diskutiert[28]. Umgesetzt wird diese Anforderung durch den hierarchischen 
                Aufbau der Teilbereiche, deren Funktionsweisen anhand einzelner 
                Teilmodelle nachvollzogen werden können. Als Beispiele für die 
                grafische Aufbereitung der Prozessverläufe können die bereits 
                angefertigten Prototypen herangezogen werden, die als eigene Windowsprogramme 
                konzipiert wurden und technisch auf der Windows Schnittstelle 
                zur Anwendungsprogrammierung (Windows-API) beruhen.
              Die Visualisierung 
                räumlicher Prozesse beinhaltet neben einer Darstellung der Dynamik 
                räumlicher Prozesse die vektorbasierte Abbildung der städtischen 
                Struktur. Zu diesem Zweck müssen die topologischen Relationen, 
                die aus den Raumbeziehungen hervorgehen, ständig von einer geometrischen 
                Darstellung begleitet werden. Die Restriktionen, welche mit der 
                Geometrie der räumlichen Elemente verbunden sind, werden an die 
                topologischen Organisationsmöglichkeiten rückgekoppelt[29]. Die dadurch ermöglichte vektorbasierte Abbildung 
                soll eine präzise Darstellung und eine Anbindung an die Datenstruktur 
                bestehender GIS erlauben.
               
              5.    PLANUNG
              Im Verlauf des vorliegenden 
                Projekts soll ein Computerprogramm entwickelt werden, welches 
                die Untersuchung der Auswirkungen alternativer Planungen und Strategien 
                innerhalb des städtischen Gefüges anhand klar umrissener Szenarienmodelle 
                erlaubt. An dieser Stelle wird abschließend noch einmal zusammengefasst, 
                was das Programm leisten soll:
              ·         
                Die Manipulation von Einflussgrößen (Kontrollparameter) 
                mittels einer grafischen Benutzeroberfläche erlaubt die interaktive 
                Einflussnahme auf die ablaufenden Prozesse. 
              ·         
                Die einzelnen Teilprogramme können zur Erweiterung der 
                Funktionalität bestehender GIS dienen, beispielsweise zur Visualisierung 
                von Verkehrsströmen und der Kartierung von Aktionsräumen. 
              ·         
                Die Simulation der komplexen Zusammenhänge in urbanen Handlungsfeldern, 
                die nicht als allumfassendes Stadtmodell sondern als „Denkwerkzeug“ 
                verstanden werden soll, ermöglicht gezielte Prognosen städtischer 
                Szenarien. 
              ·         
                Das zu konzipierende Programm ist zum einen als Planungsinstrumentarium 
                zu nutzen, denn es ermöglicht ein besseres Verständnis komplexer 
                Zusammenhänge verschiedener Einflussgrößen auf die Stadtentwicklung 
                und erleichtert somit administrative und politische Entscheidungen, 
                die als exogene Einflüsse in das Simulationsprogramm aufgenommen 
                werden. 
               
 ·         
                Zum anderen können administrative und politische Entscheidungen 
                der Bevölkerung besser vermittelt werden, wenn die den Entscheidungen 
                zugrunde gelegten Zusam-menhänge visualisier- und damit besser 
                nachvollziehbar sind (siehe Abb. 6).
              ·         
                Nicht zuletzt eröffnen sich durch die Visualisierung räumlicher 
                Prozesse neue Möglichkeiten für die Partizipation der Bevölkerung 
                an der Stadtplanung (e-Democracy). Beispielsweise lassen sich 
                unterschiedliche Interessen als Kontrollparameter ausdrücken. 
                Die jeweiligen Simulations-modelle könnten den Bürgern zugänglich 
                gemacht werden, womit die Auswirkungen der Haltungen unterschiedlicher 
                Interessengruppen für den Einzelnen unmittelbar einsichtig würden 
                (siehe Abb. 6).
               
              6.    LITERATUR
              Die Programme, denen 
                die Abbildungen für die Prototypen entnommen wurden sind im Internet 
                erhältlich unter: http://www.entwurfsforschung.de/Strukturfor/delphi/delphi.htm 
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