Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, was mit parametrischem oder algorithmischem Entwerfen im Bereich der Architektur finden gemeint ist. Oftmals dienen sie lediglich der Charakterisierung avantgardistisch anmutender Entwürfe, die mit Computerunterstützung erstellt oder realisiert wurden. Da eine solche sehr allgemeine Begriffsverwendung für das hier behandelte Thema nicht fruchtbar ist, erscheint eine Auseinandersetzung mit den technischen Grundlagen erforderlich.

Bevor wir uns also mit verschiedenen computerbasierten Entwurfsmethoden befassen, müssen wir uns vergegenwärtigen, wie physikalische Objekte im Computer mittels eines geometrischen Modells abgebildet werden. Ein geometrisches Modell repräsentiert bestimmte Elemente wie Punkte, Kanten, Flächen, Volumen. Die datentechnische Repräsentation dieser Elemente erfolgt vor allem anhand ihrer Eigenschaften, z.B. ihrer Koordinaten zur Positionsbeschreibung. Aus technischer Sicht gibt es mindestens fünf verschiedene Repräsentationsverfahren für geometrische Modelle, die uns hier aber nicht näher interessieren. Wichtig ist, dass bei jeder Repräsentationsform Angaben zu bestimmten Elementeigenschaften notwendig sind, welche auf dieser Ebene als Parameterwerte betrachtet werden können. Aus dieser Perspektive ist jedes geometrische Modell auch ein parametrisches Modell.

Entscheidend ist hier, wie der Benutzer eines Computerprogramms geometrische Elemente erstellen (modellieren) und anschließend auf diese zugreifen (manipulieren) kann. Die Funktionsweisen klassischer CAD-Programme wurden vor allem als Nachbildung der Zeichentätigkeit auf einem Reißbrett konzipiert, wie sie bei Ingenieuren üblich war. Bei heute gängiger Software bedeutet dies, dass der Zugriff auf die Elementparameter meist über eine grafische Interaktion eines Benutzers mit den auf dem Bildschirm dargestellten geometrischen Objekten mittels Mauseingabe (indirekt) oder über die numerische Angabe neuer Eigenschaftswerte für bestimmte Elemente (direkt) erfolgt. Von einer Software zum parametrischen Modellieren können wir folglich sprechen, sobald diese es einem Benutzer ermöglicht geometrische Elemente direkt und indirekt zu erstellen und zu manipulieren. Erwähnenswert ist zudem, dass sich die beschriebene Nutzerinteraktion in der Regel auf geometrische Objekte bezieht, die aus verschiedenen geometrischen Elementen bestehen. Ein Quader besteht beispielsweise aus 8 Eckpunkten, 12 Seitenkanten und 6 Flächen. Die Manipulation der Höhe eines Quaders wirkt sich automatisch auf die Koordinatenwerte einiger dieser Unterelemente aus.

Erstellt man ein geometrisches Modell so, dass zwischen den geometrischen Elementen bzw. deren Parametern Abhängigkeiten (Assoziativitäten) bestehen, spricht man von einem assoziativen Modell. Dieses ist in der Regel hierarchisch aufgebaut, so dass die Abhängigkeiten bzw. Verbindungen zwischen den Elementen in einer Baumstruktur organisiert sind. Eine solche Struktur hat zur Folge, dass alle Elemente auf einem ersten „Ur“-Element aufbauen und sich Änderungen beim ersten Element auf alle anderen auswirken.

Schwierigkeiten bereitet bei assoziativen Modellen eine netzartige Assoziativität, bei der sich Elemente in einer zirkulären Abhängigkeit zueinander befinden. Eine solche Vernetzung ist aufgrund der damit einhergehenden Komplexität schwer zu handhaben und erfordert bestimmte Kontrollmechanismen, welche die Bedingungen der Interaktion zwischen zwei Elementen genau definieren. Eine solche Definition ist mittels Algorithmen anzugeben, weshalb netzartig aufgebaute assoziative Modelle um spezielle Methoden ergänzt werden müssen. Aus der dargestellten Unterscheidung zwischen geometrischen und assoziativen Modellen ergeben sich verschiedene Möglichkeiten für deren Einsatz im architektonischen Entwurfsprozess. Wir unterscheiden zwischen Methoden des parametrischen und algorithmischen Entwerfens.

Beim parametrischen Entwerfen geht es vorrangig um die assoziative Verknüpfung der Parameter verschiedener geometrischer Objekte zur Abbildung komplizierter Abhängigkeiten, die in einer Baumstruktur organisiert sind. Beim algorithmischen Entwerfen werden netzartige Parameterverknüpfungen berücksichtigt, wodurch es zu Interaktionen und Rückkopplungen zwischen geometrischen Objekten kommen kann. Da Rückkoppelungsprozesse bei komplexen Systemen eine wichtige Rolle spielen, können diese nur mittels algorithmischer Entwurfsmethoden abgebildet werden.

Das algorithmische Entwerfen erfordert fundierte Kenntnisse über Programmiertechniken, welche in der Ausbildung von Architekten nur schwer vermittelbar sind, da sie ein streng logisch-mathematisches Denken erfordern, dass auf den ersten Blick dem kreativen Arbeiten an architektonischen Entwürfen widerspricht. Vermutlich aus diesem Grund konnten sich Initiativen zum Computational Design nicht durchsetzen, die in den 90er Jahren im Rahmen verschiedener Ausbildungsprogramme an verschiedenen experimentell ausgerichteten Universitäten weltweit erprobt wurden und sich mit der Entwicklung eigener kleiner Computerprogramme für bestimmte Entwurfsaufgaben auseinandergesetzt haben. Die technische Basis für diese Arbeiten bildeten meist Skripsprachen, z.B. AutoLisp oder VBA für AutoCAD. In den letzten Jahren ist allerdings ein Trend zu erkennen, der ausgehend vom MIT-MediaLab und von Protagonisten wie John Maeda Programmierung als grundlegende gestalterische Methode versteht. Diese Trend hat dazu geführt, dass in die Ausbildung von Designern und Architekten zunehmen Programmierkurse integriert werden.

Das Konzept des parametrischen Modellierens wurde zuerst bei Software für Maschinenbau, Industriedesign (Pro/Engineer) und Filmproduktion (Maya, 3D Studio Max) umgesetzt. Im Bereich der CAAD Software entwickelte sich aus der Parametrisierung geometrischer Objekte das bauteilorientierte Modellieren, bei dem die Abmessungen von Bauteilen wie Türen, Fenster oder Wände über Parameter kontrolliert werden können. Die aktuelle Entwicklung im Architekturbereich treibt das Konzept der Parametrisierung unter dem Schlagwort Building Information Modeling (BIM) an seine Grenzen, indem Bauteilen alle denkbaren Eigenschaften zugewiesen werden (z.B. Kosten, Materialität, Dämmkennwerte) und versucht wird, die Struktur von Gebäuden in allgemeingültigen Schemata abzubilden (z.B. Geschossigkeit, Fassadenaufbau, Dachkonstruktion). Das Ziel des BIM-Ansatzes besteht darin, alle bauwerksrelevanten Informationen in einem digitalen Modell zusammenzufassen, wodurch die Effizienz bei der Bauplanung und -ausführung erhöht werden soll. Das Problem bei diesem Ansatz ist, dass es das Wesen des kreativen Entwerfens ist, sich fortwährend vorgefertigten Schemata zu entziehen und unkonventionelle Wege zu suchen, deren Begehen die relativ starren BIM-Systeme oft erschweren oder sogar verhindern.

Als Alternative zu CAAD- bzw. BIM-Systemen (z.B. Revit, Allplan, ArchiCAD) wurden relativ flexible 3D-Modellierprogramme für architektonische Anwendungen entwickelt, welche auf das Potential des BIM-Ansatzes verzichten und sich weniger zum Zeichnen von Plänen oder Baudetails eignen, dafür aber große Freiheiten bei der formalen Gestaltung bieten. Eines dieser Programme ist Rhino3D, welches seit Ende der 90er Jahre erhältlich ist und sich heute als sehr kostengünstige Modelliersoftware (verglichen mit etablierten Programmen in diesem Bereich wie Cinema 4D, 3ds Max oder Maya) durchgesetzt hat.

Für Rino3D existieren zahlreiche architekturspezifische Plugins. Im Rahmen der vorliegenden Auseinandersetzung, konzentrieren wir uns auf das Plugin Grasshopper, welches seit 2007 maßgeblich von David Rutten entwickelt wurde. Mit Grasshopper können komplizierte Modelle erstellt werden, die sich hervorragend zum parametrischen Entwerfen eignen. Grasshopper bietet zur parametrischen Modellierung einen grafischen Editor, der es einerseits ermöglicht, Parameter-Abhängigkeiten zwischen Elementgruppen zu definieren und diese Abhängigkeiten mit vordefinierten oder selbst erstellten Algorithmen zu verknüpfen.

Mit einigem Aufwand ist es mittels Grasshopper zudem möglich, zirkuläre Abhängigkeit zwischen geometrischen Elementen festzulegen. Daher eignet sich das Plugin auch bedingt zum algorithmischen Entwerfen. Auf alle Fälle gehört es zu den ersten und vor allem bedienungsfreundlichsten Systemen, welche es erlauben, mit sehr geringen Programmierkenntnissen und primär grafischen Mitteln abstrakte Schaltungen für assoziative Modelle zu erzeugen. Nicht zuletzt wegen der intuitiven grafischen Benutzeroberfläche und den vielfältigen Möglichkeiten zum Experimentieren erfreut sich Grasshopper großer Beliebtheit bei Architekturstudenten. Die Anbindung an Rhino3D gestattet die weitere Manipulation der erstellten Geometrie mit herkömmlichen CAD-Funktionen.

Die mit Grasshopper generierte Geometrie ist aufgrund der inhärenten Logik des parametrischen Modellierens meist sehr kompliziert und nur unter Zuhilfenahme von Methoden der digitalen Produktion realisierbar . Aus diesem Grund treiben sich neue generative Softwaresysteme und neue Techniken zur digitalen Produktion in den letzten Jahren gegenseitig voran. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, wird die Vermittlung digitaler Produktionsprozesse zunehmen in universitäre Curricula integriert.